Der rote Raum ist der neunte Band der bislang zehn Bände umfassenden Krimi-Reihe um die schwedischen Kommissarinnen Ingrid Nyström und Stina Forss. verfasst vom Autoren-Duo Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson. In einem teuren Wohnturm in Växjö wird ein Toter mit einer Kugel im Kopf gefunden. Sein Brustkorb wurde geöffnet, das Herz entnommen und stattdessen ein kleiner Mondmeteorit hineingelegt. Das Opfer, ein zurückgezogen lebender Informatiker, Überlebender des erweiterten Suizids seiner Eltern, war ein schwer traumatisierter Mann, der mit Echsen besser auszukommen schien als mit Menschen, weshalb sich weit und breit kein Tatverdächtiger mit plausiblem Motiv auffinden lässt. Dieser Fall gibt der ermittelnden Ingrid Nyström eine harte Nuss zu knacken. Zeitgleich erweist sich ein vermeintlicher Arbeitsunfall in Kiruna als Mord, und auch hier wurde ein Organ entnommen, diesmal die Leber. Beide Fälle werden getrennt untersucht, letzterer von Stina Forss, die vor einem Locked-Room-Rätsel steht. Und dann gibt gibt es noch einen dritten Erzählstrang: Zwei Junge Männer reisen auf Vespa-Rollern von Schweden nach Griechenland, scheinbar ein harmloser Urlaub angehender Studenten. Wie das wohl zusammenhängt?
Alle drei Erzählstränge erscheinen angemessen disparat und machen Lust auf eine wendungsreiche Auflösung, aber die schleppt sich dahin. Die beiden Kommissarinnen bleiben merkwürdig blass, was insbesondere bei Nyström verwundert, trägt sie doch nicht nur Augenklappe, sondern auch ein schweres Paket Schuldgefühle, weil sie im vorigen Band den Mörder der Partnerin ihrer Schwiegertochter im Beisein ihrer Kollegen in Selbstjustiz erschossen hat. Den Kollegen hingegen kommt man schon näher, vielleicht weil es zwischen ihnen und der jungen Teamergänzung Sara Hjalmarsson so schön menschelt. Während die alten Männer sich zum Gockel machen, bringt Hjalmarsson, auf der Schule wegen ihrer Legasthenie und ihrer Oberweite Sexy Lexie genannt, den Fall des Echsen-Manns schließlich entscheidend weiter.
Es ist schon ein bisschen seltsam, dass die Nebenfiguren farbiger rüberkommen als die beiden Kommissarinnen. Vielleicht liegt es auch an der glanzlosen, aber wortreichen Sprache, dass sich die Lektüre über weite Strecken mächtig zieht. Dazu trägt auch der ausgeprägte Hang der Autoren zur Internetrecherche bei. Ob das Tunen von Vespas, schwedischer Hip-Hop, der rote Raum (hier ein Chatraum im Darknet, so viel sei verraten) in Malerei, Literatur, Populärkultur und so weiter, alles wird breitgetreten, als gelte es die Liste, die Google ausgespuckt hat, lückenlos abzuhaken. Da wäre weniger manchmal mehr gewesen.
Beginnt man eine unbekannte Krimi-Reihe, steht die Hoffnung im Raum, auf vielbändigen fesselnden Lesestoff zu stoßen. Diese Erwartung kann die Reihe um Nyström und Forss trotz des durchaus packenden Finales leider nicht erfüllen. Der rote Raum ist ein solider Krimi, nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Voosen/ Danielsson
Der rote Raum
Kiepenheuer & Witsch 2021