Avatar – Der Weg des Wassers

Der Kinobesuch gestaltete sich als kleines Survival-Abenteuer. Zunächst mal galt es den fünfunddreißigminütigen Werbeblock zu überstehen, auf die Überlängenwarnung folgte eine zehnminütige Pinkelpause, und dann passierte erst mal gar nichts – offenbar war die digitale Projektionsanlage abgestürzt. Erst eine geschlagene Stunde nach Betreten des Kinosaals startete endlich der Film.

Mit (k)einer Überraschung: Avatar 2 ist irgendwie Avatar 1, wie gehabt mit Esoterikkitsch inklusive Wunderbaum, schwebenden Felsen, peinlichen Dialogen und einer anachronistisch anmutenden Na’vi-Version der amerikanischen Sechzigerjahre-Familie („Yes, Sir!“). Im Kern ist es eine Indianergeschichte, wie sie auch Karl May hätte schreiben können. Die Kritik zu Avatar 2: The Way Of Water: Abtauchen und Staunen - FILMSTARTS.debösen Landräuber von der Erde kommen zurück nach Pandora, und der oberböse Colonel Quaritch, als Avatar reinkarniert, hat mit Jake Sully, inzwischen ebenfalls Vollzeit-Avatar, mehrfacher Familienvater und Anführer der Wald-Na’vi, noch ein Hühnchen zu rupfen. In der Folge werden die Sully-Kinder entführt, befreit und wieder entführt, bis es schließlich zur finalen Ballerei mit Showdown kommt. Die Story ist so dünn wie der Film lang ist (193 Minuten) und erhebt kaum Anspruch auf Eigenständigkeit, was durch die zahlreichen akustischen und visuellen Anklänge an Alien, Star Wars und Titanic noch einmal unterstrichen wird. Die Referenzen sind jedoch rein oberflächlich; dem Film mangelt es bedauerlicherweise an der Spannung von Alien und dem emotionalen Erzählbogen des Titanic-Films, und immer wieder stören Albernheiten wie die Kommunikation mit dem Fisch: “Und was macht dein Baby?” Die plakative Spiegelung der irdischen Umweltproblematik ins Science-Fiction-Genre entfaltet so keine Wirkung. Das aber ist nur die eine Seite.

Die andere Seite zeigt sich vor allem im Mittelteil des Films und hat die Qualität einer filmischen Offenbarung. Die erste Hälfte davon spielt im Wald, die zweite am und vor allem im Meer. Zu besichtigen ist eine bis in den einzelnen Grashalm, jede Hautpore und jedes Seeanemonenfädchen hinein realistisch anmutende Welt. James Cameron gelingt hier eine fantastische Symbiose von Filmtechnik und Ästhetik. Durch das weiter perfektionierte Motion-Capture-Verfahren als Grundlage der Digitalisierung gewinnen die Na’vi eine umwerfende Präsenz. Eine solch grandiose Verschmelzung von Realfilmbildern und CGI hat man noch nicht gesehen. Einen Anteil daran hat auch neue Kinotechnik, nämlich das Cinity-System mit Laserprojektoren, 4k-Auflösung, HFR-Technik (einer gegenüber den üblichen 24 Bildern pro Sekunde erhöhten Framerate) und 30 Prozent mehr Helligkeit. Godard, der seinerzeit verkündete, Kino sei ‘24 Mal Wahrheit in der Sekunde’, dreht sich vermutlich im Grabe um, doch die Wirkung ist bestechend. Mehr Immersion geht kaum. Die 3-D-Technik beweist hier endlich ihre Daseinsberechtigung über das Spektakel hinaus und verleiht dem Film einen wahren Mehrwert. So entstehen immer wieder betörende und berührende Momente, so wie bei der Meeresbestattung des Sully-Jungen, der in ein Anemonenfeld aufgenommen wird,  beim Träumen eines Na’vi-Mädchens im Gras oder wenn es im Kinosaal regnet. Genau diese Momente nimmt man aus dem Film mit. Das Fazit ist folglich gemischt: Avatar 2 ist eine großartige visuelle Erfahrung, aber leider kein großer Film.

Avatar – Der Weg des Wassers

Regie: James Cameron, 2022

Trailer

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